Heiners Blog

Wer ist wer an einem Filmset?

18.12.2020
Wer ist wer an einem Filmset?
MEET HEINER LAUTERBACH
Lass dich von Heiner Lauterbachs Begeisterung für die Schauspielerei inspirieren: Lerne, wo der Unterschied zwischen Theater und Film liegt und wie du auch abseits der Bühne stets einen perfekten Auftritt hinlegst.
LOS GEHT’S

Heiner Lauterbach vergleicht ein Filmset bzw. eine Filmproduktion mit einer schweren Eisenkette, die aus bis zu 300 Gliedern bestehen kann. Alle halten eng zusammen, sind enorm aufeinander angewiesen und wenn irgendwo ein Glied reißt, ist es vorbei. Welche unterschiedlichen Jobs am Set gibt es überhaupt? Und wer ist eigentlich der Chef? Diese Insights gibt es von Heiner in diesem Artikel – natürlich aus erster Hand. 

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Wie unterscheiden sich Filmsets?

Zunächst mal muss man wissen, dass es riesige Unterschiede zwischen Filmsets gibt. Zum einen, was die Größe – die Anzahl der Leute betrifft – und zum anderen die Ausrichtung. Sprich: Geht es um ein Set für einen Werbefilm? Ist es ein großes Filmset oder wird eine Soap für das Fernsehen gedreht? Und wie überall im Leben gibt es auch hier Qualitätsunterschiede.

Gehen wir mal von einem normalen Spielfilm-Set einer deutschen Kinoproduktion mit Major Label aus. Die Range liegt da so etwa zwischen einer kleinen Independent-Produktion und einem großen amerikanischen Blockbuster Filmset. In diesem Fall würden wir von einer Größenordnung von ca. 60 Personen sprechen. 

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Das sind dann aber nicht tatsächlich alle am Film Beteiligten, sondern nur die Menschen, die während des Drehs anwesend sind. In den Büros, Werkstätten, Trickstudios, Kanzleien und Schneideräumen arbeiten zusätzlich eine Menge Menschen an der Herstellung eines Filmes.

Wer ist Chef des Films?

Aber zurück zum Set. Und fangen wir von oben an. Der Chef ist der Produzent. Ich verorte ihn mal ans Set, obwohl er eigentlich ins Büro gehört. Das wird von den Produzenten jedoch verschieden gehandhabt. Es gibt Produzenten, die siehst du kaum am Set, und wenn, dann meistens zur Mittagszeit, weil dann alle anderen Beteiligten Zeit haben, mit ihnen zu quatschen. 

Bernd Eichinger zum Beispiel war mit Freude und sehr oft am Set. Darauf angesprochen sagte er zu mir: „Warum sollte ich dem Set fern bleiben, Heiner? Das ganze Jahr verbringe ich damit, Geld für diesen Film aufzutreiben, und wenn es dann endlich so weit ist und der Film gedreht werden kann, soll ich nicht dabei sein? Das Filmset ist der wichtigste Ort für mich. Hier wird mein Geld verarbeitet. Hier entscheidet sich letztlich die Qualität des Produktes, für das ich lebe. Nichts und niemand kann mich davon abhalten oder mir verbieten, am Filmset anwesend zu sein.“ 

Ich verstehe diese Einstellung. Trotzdem sind Produzenten, die sich permanent am Set aufhalten nicht immer und überall beliebt. Ein angesagter hochdekorierter Regisseur verbietet schon mal die Anwesenheit des Produzenten am Set. Ein einflussreicher, mächtiger Produzent lässt sich allerdings von niemandem vorschreiben, wo er zu sein hat und wo nicht. Lustig wird es, wenn zwei Konsorten dieses Kalibers aufeinandertreffen. Dann ist Stimmung in der Bude. Alles schon erlebt.

Die rechte Hand des Produzenten ist der Herstellungsleiter. Der hat zwar eigentlich auch nichts am Set verloren, aber auch er kommt gerne in der Pause. Herstellungsleiter/innen sind für alles Finanzielle verantwortlich. Für die Gesamtkalkulation. Überzieht ein Film mit seinen Kosten, hält der Herstellungsleiter dafür seinen Kopf hin.

Auch die Produktions- und ersten Aufnahmeleiter/innen pendeln zwischen Filmbüro und Set. Je tiefer man diese Leiter heruntersteigt, je mehr tendieren die Teammitglieder dann in Richtung Set. Im Büro sitzt noch die Filmgeschäftsführerin, die mit ihren Kollegen sämtliche Abrechnungen macht.

Wer ist Chef am Filmset?

Und nun kommen wir endlich zu denen reinen Set-Arbeitern. Hier ist der Regisseur der Chef. Mithilfe seiner beiden Assistenten, dem ersten und zweiten AD (Assistent Director) oder Regieassistenten. Bei kleineren Produktionen gibts nur einen davon. Diese Abteilung wird komplettiert von dem Script Girl und dem Continuity-Verantwortlichen. Meist Damen, die aufpassen, dass keine sogenannten Anschlussfehler entstehen.  

Wenn ihr neu beim Film seid und eine Frage habt, wendet euch an den zweiten Regieassistenten. Geht bloß nicht zum Regisseur und fragt ihn, wo euer Trailer-Wagen steht, falls ihr denn einen haben solltet. Auch der erste AD hat für so was keinen Kopf. Geht damit zum 2nd AD und dieser hilft euch weiter. Im Zweifel schickt er euch zum zweiten Aufnahmeleiter oder auch zum Set-Aufnahmeleiter. Der ist eigentlich die rechte Hand vom ersten Aufnahmeleiter. Er bewegt sich aber ausschließlich am Set.

Die Set-Aufnahmeleiter haben dann noch Gehilfen, sogenannte Best Boys und Set Runner. Die holen zum Beispiel die Schauspieler aus ihren Trailern und begleiten sie zum Drehort, wenn es mit dem Dreh weitergeht. Oder sie besorgen dem Regisseur einen Schokoriegel, wenn der von seinen Schauspielern so genervt ist, dass er Zucker braucht.

Und dann gibt es natürlich noch die Fahrer. Alles will ja bewegt und transportiert werden. Sie stehen zwar am Ende der Nahrungskette, sind aber, wie man es sich vorstellen kann, enorm wichtig. Ohne zuverlässige, verantwortungsbewusste und gute Fahrer geht gar nichts. Überhaupt ist eine Filmproduktion mit einer schweren Eisenkette mit bis zu 300 Gliedern zu vergleichen. Wenn irgendwo ein Glied reißt, ist es vorbei. Alle sind enorm aufeinander angewiesen. Das macht es auf der einen Seite schwer, weil die Organisation extrem voneinander abhängig und somit sehr anfällig ist. Andererseits ist es aber auch ein Vorteil, weil mit diesem Wissen eine einmalige Dynamik entsteht. Jeder weiß, dass er Teil dieser Kette ist und dass es auf ihn genauso ankommt wie auf jeden anderen. Das verleiht ihm nicht nur Macht, sondern auch Verantwortung. Ein Umstand, der Angestellte einer Firma in der Regel beflügelt.

An einem Filmset herrschen grundsätzlich sehr flache Hierarchien. Nur in Ausnahmefällen führen sich durchgedrehte Stars oder wichtigtuerische Regisseure exzentrisch auf. Das spricht sich schnell rum und man wird nicht mehr besetzt. Wir Schauspieler werden ohnehin wie die rohen Eier behandelt, sodass gar kein Anlass besteht, zickig zu werden. Zu wichtig sind wir und unser Wohlbefinden für die Produktion. Denn – bei aller Gleichberechtigung – wir sind es am Ende, die auf dieser riesigen Leinwand zu sehen sind. Und wenn sich die Performance eines Darstellers verschlechtert, weil sein Espresso, den der Best Boy ihm in einer Drehpause brachte kalt war, dreht der Regisseur durch. Und das will keiner.

Unsere Wichtigkeit relativiert sich dann aber auch ziemlich schnell wieder, wenn die Produktion abgeschlossen ist. Allenfalls während der Promotion-Arbeit genießt man noch diesen besonderen Status. Eben nur so lange man gebraucht wird. Dann ist es vorbei mit der Herrlichkeit. Bis man das nächste Set betritt.

Nach den ganzen für die Logistik Verantwortlichen kommen wir nun langsam zu den vermeintlich Kreativen. Wobei es natürlich unabdingbar ist, dass jeder in so einer Organisation eine gewisse Kreativität an den Tag legt.

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Wer bestimmt den Look des Films?

Nach dem Regisseur, der die kreative Federführung hat, kommt der Kameramann. Er bestimmt zusammen mit dem Regisseur den „Look“ des Films. Die beiden legen fest, mit welcher Kamera und auf welchem Material gedreht wird. Letzteres regelt sich heutzutage von selbst, da fast nur noch mit Digitalkameras gedreht und kein Filmmaterial mehr benötigt wird. Trotzdem hat jeder Film seine eigene Handschrift, die es von Regisseur und Kameramann festzulegen gilt. In enger Zusammenarbeit mit dem Oberbeleuchter und dem Ausstatter, der Ausstatterin, also den Film-Architekten. Sie alle sind es, die dann auch mit den Masken- und Kostümbildnern zusammen den Gesamteindruck prägen.

Zwischen einem kleinen, schmuddeligen Schwarz-Weiß-Film mit verwackelter Handkamera und kaum ausgeleuchteten Bildern und einem epochalen, auf 70 mm gedrehten Monumentalfilm mit 10.000 Statisten befinden sich eine Vielzahl von Gestaltungsmöglichkeiten. Hier sind der Fantasie und der Kreativität der Entscheidungsträger keine Grenzen gesetzt.

Und wen gibt es sonst noch?

Aber wieder mal zurück ans Set. Neben den schon aufgeführten Gewerken gibt es noch eine Menge anderer. Als da wären: die Baubühne. Meist kräftige Jungs, die alles bauen, was am Set auf die Schnelle entstehen muss. Und die den Dolly fahren. Also das unglaublich schwere Gerät, auf dem die Kamera aufgebaut wird, wenn sie sich bewegen muss.

Dann haben wir die Requisiteure. Sie sind aufgeteilt in Außen- und Innenrequisite. Ein guter Requisiteur hat alles in seinem Fahrzeug/Truck, was das Herz begehrt. Wenn dem Regisseur plötzlich einfällt, der Schauspieler sollte in der nächsten Szene rauchen und die New York Times lesen, tut der Requisiteur gut daran, Zigaretten an Bord zu haben und die New York Times. Normalerweise werden solche Dinge natürlich vorher abgesprochen. In dem Fall, zwischen der Regieassistenz und der Ausstattung. Aber man muss beim Film immer auf alles gefasst sein. 

Obwohl das Ganze generalstabsmäßig geplant wird, legen die Verantwortlichen großen Wert auf Flexibilität. Immer wieder können Dinge passieren, die eine kurzfristige Drehplanänderung nach sich ziehen. Sei es das Wetter oder der Blinddarm eines Darstellers. Und dann muss in Minutenschnelle entschieden werden. Denn alles darf passieren, nur die Produktion darf nicht zum Stillstand kommen. Der Maschinenraum einer Filmproduktion, das eigentliche Filmset, muss immer in Betrieb bleiben. Zuviel Geld kostet auch nur ein einziger Drehtag.

Mit der Digitalisierung des Filmmaterials sind einige Veränderungen einhergegangen. Alles in allem bringt sie Ersparnisse mit sich. Man kann einen Film mit Digitalkameras kostengünstiger herstellen. Das hat verschiedene Gründe. Die Kameras sind preiswerter. Das Material kostet so gut wie nichts mehr. Die Kameras und Objektive sind lichtempfindlicher, man muss also wesentlich weniger ausleuchten und hat damit weniger Wartezeiten. Die Schauspieler, zumindest die Männlichen, werden aufgrund des Materials kaum noch geschminkt, sondern bestenfalls nur noch abgepudert. Sie verbringen also auch weniger Zeit in der Maske.

Dann gibt es natürlich, ganz wichtig, neben dem Oberbeleuchter noch seine Mitarbeiter. Die Beleuchter oder Electricians, wie sie auf Englisch genannt werden. Sie setzen auf Anweisung ihres Chefs, dem Oberbeleuchter, das Licht. Dafür schleppen sie den ganzen Tag die riesigen Beleuchtungskörper von A nach B.

Rund um die Video-Ausspielungen gibt es eine Menge Fachpersonal, die für den Regisseur die perfekten Bedingungen schaffen, um das gerade gedrehte Filmmaterial zu beurteilen.

Die Anzahl der Masken- und Kostümbildner und ihren Mitarbeitern ist abhängig von der Größe der Produktion bzw. der Anzahl der Schauspieler, die für den entsprechenden Tag am Set verweilen. Dann hätten wir noch die Catering-Abteilung. Damen und Herren, die das gesamte Team ganztägig kulinarisch versorgen. Unter Umständen und je nach Bedarf treiben sich dann noch Stuntleute und Visual Effects Leute am Set rum.

Tja, das war es im Großen und Ganzen. So in etwa sähe ein Filmset aus. Es ist ein großer bunter Haufen von Individualisten. Alles Fachleute auf ihrem Gebiet. Wenn ein gutes Filmteam auf einer einsamen Insel abgesetzt würde, hätten sie gute Chancen zu überleben. Ich bin sicher, die Mischung aus handwerklicher Begabung und kreativer Kraft würde so eine Gemeinschaft fast jede Hürde nehmen lassen. Ich habe jedenfalls immer großes Vertrauen in ein gutes Filmteam. Ja, mehr noch, ich fühle mich oft wie in meiner eigenen kleinen Familie. Beschützt und gut aufgehoben.   

Euer Heiner Lauterbach

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