Jeder literarische Text kann einer der drei großen Textgattungen – Epik, Lyrik und Dramatik – zugeordnet werden. Diese fassen Texte aufgrund ihrer Gemeinsamkeiten zusammen und helfen, sie besser voneinander zu unterscheiden.
Wie lassen sich Texte den einzelnen Textgattungen zuordnen?
Es gibt die unterschiedlichsten Textsorten, die sich in Bezug auf Inhalt und Form unterscheiden: von der einfachen Gebrauchsanleitung über ein Gedicht bis hin zum Roman. Grundsätzlich unterteilt man Textsorten in fiktionale und nicht-fiktionale Texte.
Nicht-fiktionale Texte werden auch als faktuale Texte bezeichnet und haben keinen literarischen Anspruch. In ihnen geht es vielmehr darum, Fakten und Informationen wiederzugeben. Unter diese Kategorie fallen alle nicht-literarischen Texte, die einem tagtäglich im Alltag begegnen, zum Beispiel WhatsApp-Nachrichten, Kochrezepte, aber auch Zeitungsartikel, Reportagen und Sachtexte. Auch wenn sie sehr unterschiedliche Absichten verfolgen, haben sie eines gemeinsam: Sie beziehen sich stets auf das Hier und Jetzt.
Anders verhält es sich mit fiktionalen Texten, die ihre ganz eigene Wirklichkeit schaffen. Diese kann sich von der tatsächlichen Realität komplett unterscheiden. Man spricht hier auch von literarischen Texten, die eine ausgedachte Geschichte erzählen (auch wenn sie sich auf wahre Begebenheiten beziehen können). Oftmals erreichen sie durch die Vermischung von Fiktion und Realität eine Illusion der Wirklichkeit. Doch egal, ob es sich um einen Fantasyroman oder Thriller handelt: Am Ende sollte der Leser sich immer identifizieren und einen Bezug zu seiner eigenen Lebensrealität herstellen können.
Fiktionale Texte lassen sich den drei Textgattungen Lyrik, Epik und Dramatik zuordnen. Diese Gattungen kannst du zum Beispiel mit dem Begriff des Genres vergleichen, der vor allem beim Film und in der Musik zum Einsatz kommt: Unter das Genre „Rock“ fallen die unterschiedlichsten Spielarten, wie zum Beispiel Punk, Metal, Indie oder Classic Rock. Ähnlich verhält es sich mit den literarischen Gattungen.
Die Gattungstrias aus Lyrik, Epik und Dramatik wurde im 18. Jahrhundert von keinem Geringeren als Johann Wolfgang von Goethe geprägt: Er ging von drei Naturformen der Dichtung aus, welche er als Abbild menschlicher Emotionen sah: die klar erzählende, die enthusiastisch aufgeregte und die persönlich handelnde Dichtung.
Die klar erzählende Dichtung: Epik
Texte dieser Gattung haben eines gemeinsam: einen Erzähler. Das deutet bereits der Begriff Epik an, der aus dem Griechischen stammt und nichts anderes als „Wort“ oder „Erzählung“ bedeutet. Zu dieser Gattung zählen zum Beispiel Romane, Kurzgeschichten, Novellen oder Fabeln.
In einem epischen Text gibt es immer einen Erzähler, bei dem es sich nicht um den Autor handelt. Er führt den Leser durch die Geschichte und man unterscheidet folgende Erzählverhalten:
- neutraler Erzähler: Er ist ein stiller Beobachter, der lediglich das wiedergibt, was man auch von außen sehen kann. Er kommt selbst nicht in der Geschichte vor und kennt weder die Gefühle noch die Gedanken der Charaktere.
- auktorialer Erzähler: Bei ihm handelt es sich um einen allwissenden Erzähler, der die Vergangenheit, Zukunft sowie die Gedanken und Gefühle der Figuren kennt. Auch er kommt selbst nicht in der Geschichte vor.
- personaler Erzähler: Er ist Teil der Erzählung und nimmt die Sicht einer bestimmten Person ein.
- Ich-Erzähler: Er erzählt aus der Ich-Perspektive, wodurch ein hohes Identifikationspotenzial entsteht. Der Leser hat dabei immer denselben Kenntnisstand.
Ein weiteres Merkmal für einen Text dieser Gattung ist die ungebundene Sprache, auch Prosa genannt: Dieser Sprachstil weist weder Reim noch Rhythmus auf.
Epische Texte auf einen Blick:
- Roman
- Novelle
- Fabel
- Märchen
- Sage
- Kurzgeschichte
- Anekdote
- Schwank
- Parabel
- Kalendergeschichte
Die enthusiastisch aufgeregte Dichtung: Dramatik
Dramatische Texte werden für die Bühne geschrieben, es handelt sich also um Theatertexte oder auch Drehbücher. Im Unterschied zur Epik gibt es keinen Erzähler, da sie für die Aufführung vor Publikum gedacht sind. Deswegen werden sie auch in wörtlicher Rede verfasst. Regieanweisungen und Angaben zum Bühnenbild werden lediglich zwischen die Dialoge geschrieben.
Die Texte dieser Gattung lassen sich in zwei Arten einteilen: Komödien und Tragödien. Erstere haben immer ein Happy End, während Tragödien, wie der Name vermuten lässt, ein trauriges Ende nehmen. Ein wichtiges Merkmal dramatischer Texte ist außerdem, dass sie sich in Szenen und Akte gliedern.
Dramatische Texte auf einen Blick:
- Komödie
- Tragödie
- Tragikomödie
- Moralität
- Mysterienspiel
- Mirakelspiel
- Sittenstück
- Versdrama
- Dramolett
Die persönlich handelnde Dichtung: Lyrik
Diese literarische Gattung wird auch als Poesie bezeichnet und umfasst Gedichte aller Art. Dazu gehören zum Beispiel das Sonett, die Ode, das Haiku, das Epigramm und viele mehr. In der Antike und im Mittelalter wurden diese Texte meist vertont, daher kommt auch der Name der Gattung: Die Lyra war ein antikes Saiteninstrument aus der Familie der Leiern, welches besonders in Griechenland verbreitet war.
Lyrische Texte bestehen stets aus Strophen und Versen, die vom lyrischen Ich (dem Sprecher) wiedergegeben werden. Es kann sich entweder auf eine Person oder auch auf eine Gruppe beziehen (zum Beispiel die Bewohner eines Landes). Der Verfasser gebraucht eine kunstvolle, bildhafte Sprache. In Gedichten findest du deswegen viele literarische Stilmittel. Außerdem weisen lyrische Texte ein bestimmtes Reimschema und ein Versmaß auf, welches den Sprechrhythmus festlegt.
Gedichte müssen sich allerdings nicht immer reimen: Gerade in der modernen Lyrik wird auf Metrik und Reim oft verzichtet. Was sie aber alle gemeinsam haben, ist, dass sie ganz bestimmte Merkmale aufweisen und eine Botschaft haben. Diese versteht der Rezipient nur, wenn er Form und Inhalt immer gemeinsam betrachtet, denn diese beiden Elemente machen lyrische Texte erst zu sprachlichen Kunstwerken.
Lyrische Texte auf einen Blick:
- Epigramm
- Elegie
- Lied
- Elfchen
- Haiku
- Ode
- Sonett
- Akrostichon
- Lehrgedicht
- Madrigal
- Rondell
Sonderformen der literarischen Textgattungen
Trotz all der Merkmale, dank derer ein Text einer der drei Gruppen zugeordnet werden kann, gibt es auch Mischformen. Ein gutes Beispiel ist die Ballade, bei der es sich um ein erzählendes Gedicht handelt. Sie weist Merkmale der Epik, Lyrik und Dramatik auf. Berühmte Beispiele für Balladen sind etwa Der Erlkönig von Johann Wolfgang von Goethe oder Der Knabe im Moor von Annette von Droste-Hülshoff. Solche Sonderformen sind eher die Ausnahme, denn die meisten Texte lassen sich relativ einfach einer Textgattung zuordnen.