Die Schauspieler Christian Bale, Daniel Day-Lewis und Robert De Niro haben eines gemeinsam: Sie nutzen die Schauspieltechnik Method Acting, um in ihre Rollen zu schlüpfen. Doch wie genau funktioniert Method Acting eigentlich?
Die Entstehungsgeschichte des Method Actings: Von Konstantin Stanislawski zu Lee Strasberg
Immer wieder hört man im Zusammenhang mit Hollywood Schauspielern vom sogenannten Method Acting. Dieses soll dem ein oder anderen sogar einen Oscar beschert haben. Tatsächlich handelt es sich bei Method Acting um eine der bekanntesten Schauspieltechniken, die im 20. Jahrhundert populär wurde und immer noch Anwendung findet.
Der Ursprung der „Methode“ lässt sich auf das „System“ des russischen Schauspielers und Regisseurs Konstantin Stanislawski (1863-1938) zurückführen – einer Schauspieltechnik, die er Ende des 19. Jahrhunderts entwickelt hat. Er war überzeugt, dass Schauspielkunst immer eine Reflexion der Wahrheit sein sollte. Deswegen appellierte er an die Wirklichkeitstreue, die im Kontrast zum damals vorherrschenden theatralischen Schauspielstil stand.
Stanislawski ermutigte seine Schauspielschüler, sich mit ihren Rollen zu identifizieren und innerlich mit ihnen auseinanderzusetzen. Dabei sollten sie auf eigene Erfahrungen und Erlebnisse zurückgreifen, um Emotionen wie Trauer oder Wut natürlicher spielen zu können. Er war überzeugt, dass man nur dann glaubhaft und authentisch schauspielern kann, wenn man seine Rolle durch das eigene Erleben versteht.
Der amerikanische Schauspieler Lee Strasberg (1901-1982) war von Stanislawskis „System“ so beeindruckt, dass er daraus seine eigene Schauspiellehre entwickelte, die heute als „Methode“ oder Method Acting bekannt ist. Ab den 1940er-Jahren teilte er seine persönliche Schauspiel-Philosophie und seine dafür entwickelten Übungen mit seinen Schauspielschülern. Das Ziel war die völlige Identifikation des Schauspielers mit seiner Rolle wie beim „System“. Strasberg ging aber noch einen Schritt weiter als Stanislawski.
Bei seiner „Methode“ sollen nicht nur persönliche Erlebnisse und Gefühle in die Rollenarbeit einfließen, sondern auch neue Erfahrungen, die es dem Schauspieler ermöglichen, seine Figur besser zu verstehen. Strasberg war es wichtig, dass er seine zu verkörpernde Figur aus eigener Sicht kennenlernt und voll und ganz in ihr aufgeht.
Durch ihn ist in den 1940er und 1950er-Jahren ein wahrer Method Acting-Hype entstanden, der bis heute andauert. Zu seinen berühmtesten Schülern gehörten zeit seines Lebens Hollywood Größen wie Paul Newman, Marilyn Monroe, Al Pacino und Jack Nicholson. Noch heute gibt es in New York das Lee Strasberg Institute, das zu den berühmtesten Schauspielschulen der Welt gehört. Über die Jahre haben sich außerdem noch weitere Schauspiellehren entwickelt, die sich auf das „System“ und die „Methode“ berufen.
Bloß keine Maske tragen: Marlon Brando als Pionier des Method Acting
Die Theorie ist das eine, doch damit du verstehst, wie die „Methode“ funktioniert, solltest du dir die berühmtesten Vertreter und ihre Schauspielkunst näher ansehen. Zum Beispiel den legendären Marlon Brando (1924-2004), der als Pionier des Method Acting gilt. Gelernt hat er die „Methode“ allerdings nicht von Strasberg selbst, sondern von der US-amerikanischen Bühnen- und Filmschauspielerin sowie Schauspiellehrerin Stella Adler: Sie zeigte ihm, wie er sich in Charaktere hineinversetzen kann, die wenig Raum zur Identifikation bieten, da sie äußerst unsympathisch sind.
Dadurch konnte Brando 1951 in „Endstation Sehnsucht“ seine Figur Stanley Kowalski derart natürlich und authentisch verkörpern, dass das Publikum von seiner Glaubwürdigkeit geradezu überwältigt war. Bis zu seiner Performance war man so etwas nicht gewohnt, da Schauspieler bis dahin sehr affektiert spielten. Brando verlieh seiner Rolle hingegen rohe Männlichkeit und sah sich die passenden Bewegungen für den schroffen Kowalski von Affen in einem Zoo ab.
Auffallend bei Marlon Brandos Darstellung ist, dass er keine Maske aufsetzt und nichts vorführt, sondern seine Rolle voll und ganz verkörpert. Er spielt Kowalski nicht, indem er ihn theatralisch überhöht, sondern er wird zu Kowalski. Auch in seinen anderen Filmen setzte Brando die „Methode“ gekonnt ein und gilt bis heute als einer der besten Schauspieler, die Hollywood je hervorgebracht hat.
Ein aktuelleres Beispiel für einen Method Actor ist der englisch-irische Schauspieler Daniel Day-Lewis. Er treibt die „Methode“ fast schon auf die Spitze: Während der Dreharbeiten von „Der letzte Mohikaner“ (1992) aß er nur selbst Gesammeltes und Gejagtes. Als er in „Mein linker Fuß“ (1989) einen Querschnittsgelähmten verkörperte, bestand er darauf, sich nur im Rollstuhl fortzubewegen und, wenn nicht anders möglich, am Set getragen zu werden.
Gefährlich wurde sein Einsatz im Film „Gangs of New York“ (2002): Bereits vor den Dreharbeiten lernte er für seine Rolle des Bill the Butcher bei einem Metzger das Fleischerhandwerk. Während der Dreharbeiten blieb er auch abseits der Kamera komplett in seiner fiesen Rolle, reagierte lediglich auf den Namen Bill the Butcher und sprach auch seine Kollegen ausschließlich mit deren Filmnamen an. Trotz der eisigen Temperaturen am Drehort weigerte Daniel Day-Lewis sich eine warme Jacke anzuziehen, die es im 19. Jahrhundert schließlich nicht gegeben habe. Das Resultat war eine böse Lungenentzündung, die er zum Glück schadlos überstand.
Kritik an der „Methode“
Auch wenn die Schauspieltechnik viele Anhänger hat, gibt es einige, die sie auch kritisch betrachten. Kein Wunder, denn Schauspieler begeben sich (wie das Beispiel von Daniel Day-Lewis zeigt) nicht selten in Gefahr, um voll und ganz in ihrer Rolle aufzugehen. Sie nehmen etwa in kürzester Zeit große Mengen Gewicht ab oder zu, beginnen exzessiv zu trinken oder verlieren sich derart in ihrer Rolle, dass die Grenze zur Realität für sie verschwimmt. Diese bedingungslose Hingabe kann unter Umständen sowohl körperliche als auch psychische Folgen haben. Will Smith und Natalie Portman sind berühmte Beispiele für Schauspieler, die von Method Acting Abstand nehmen und die Schauspieltechnik nicht empfehlen.
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