Neben der Oper ist die Operette eine der beliebtesten Aufführungsformen in der klassischen Musik. Zudem ist sie eng mit dem modernen Musical verwandt. Was genau eine Operette ausmacht und wie sie sich von der Oper unterscheiden lässt, liest du hier.
Definition Operette und der Unterschied zur Oper
Das Wort Operette hat seinen Ursprung im Italienischen und bedeutet nichts anderes als „kleine Oper“. Der Begriff kam erstmals im 17. Jahrhundert auf, denn anders als eine Oper ist eine Operette um einiges kürzer und besteht aus weniger Akten. Sie zeichnet sich vor allem durch eingängige und leichte Melodien aus, die Gesangseinlagen und gesprochenen Dialog kombinieren. In der Oper wird hingegen nur gesungen, aber nie gesprochen.
Ein weiterer Unterschied: Die Operette behandelt meist heitere und komische Themen, während eine Oper oft tragisch endet. Außerdem erfordern die meisten Operetten eine weniger gut ausgebildete Stimme, da sie nicht so anspruchsvoll zu singen sind. Die Handlung ist meist trivial bis anzüglich, während die Musik tanzbar ist und zum Mitsingen einlädt. Deswegen erfreut sich die Operette bis heute großer Beliebtheit und spricht auch Nicht-Klassikfans an.
Wie ist die Operette entstanden?
Ein wichtiger Vorläufer der Operette ist die Opéra-comique, zu Deutsch komische Oper. Diese Gattung entstand in Paris des 17. Jahrhunderts und entwickelte sich aus dem sogenannten Vaudeville. Die Opéra-comique bestand bis zum 19. Jahrhundert und verband zum ersten Mal Gesang und gesprochene Dialoge miteinander. In der Mitte des 19. Jahrhunderts näherte sie sich zwei Stilrichtungen an: zum einen der Grand opéra und zum anderen der Operette. Dadurch verschwand die komische Oper komplett und wurde von den beiden Aufführungsformen ersetzt.
Die Operette selbst wandelte sich im Laufe der Jahrhunderte stark. Anfangs wurde sie vor allem von Wandergruppen aufgeführt, die mit Schauspielern und Sängern eine Art Oper aufführten, die kürzer und unterhaltsamer war. Mitte des 19. Jahrhunderts erhielt die Operette in Paris eine neue Bedeutung. Komponisten wie Jacques Offenbach und Hervé führten auf Basis der komischen Oper neue Stücke auf. Diese hatten eine witzige und parodistische Form, die teils groteske Züge annahm.
Besonders der in Deutschland geborene Offenbach beeinflusste mit seiner Art der Operette Wiener Komponisten und schon bald entstand in der „Hauptstadt der Klassik“ eine lebhafte Operettenszene. Johann Strauss II (Sohn des gleichnamigen Komponisten) und Carl Zeller wurden zu wichtigen Komponisten der neuen Aufführungsform. Anders als die Pariser Kollegen lehnten die Wiener ihre Operetten näher an die Oper und großbürgerliche Klassik-Aufführungen an. Dadurch erfreute sich die Operette vermehrter Beliebtheit im konservativen Bürgertum. Diese Zeit wird auch als goldene Operetten-Ära bezeichnet, in der bis heute beliebte Werke wie „Die Fledermaus“ von Johann Strauss II und „Die lustige Witwe“ von Franz Lehár entstanden.
Im 20. Jahrhundert folgte die silberne Operetten-Ära, die besonders in Berlin florierte. Allerdings verlor die Operette ansonsten nach und nach an Bedeutung, da sie von den ersten Ton- und Filmaufnahmen fast verdrängt wurde. Sie konnte aber als Musikform bis heute überleben und war der Wegbereiter für Musicals und Filme, deren Handlung sowohl gesungen als auch getanzt wurde (man denke hier an „Der Zauberer von Oz“ oder auch die ersten Disney Zeichentrickfilme wie etwa „Schneewittchen“).
Bis heute begeistert die Operette viele Menschen, auch wenn sie nicht mehr an ihre Hochphase im 19. Jahrhundert anknüpfen kann. Am Neusiedlersee in Österreich finden allerdings jährlich die sogenannten Mörbischer Seefestspiele statt, ein bekanntes und erfolgreiches Operettenfestival.
Einige bekannte Werke, die du kennen solltest
1. Orpheus in der Unterwelt (Jacques Offenbach, 1858)
Die Oper in 2 Akten wurde am 21. Oktober 1858 im Theater Bouffes-Parisiens in Paris uraufgeführt und war ein sensationeller Erfolg. Es war das erste abendfüllende Werk von Jacques Offenbach, welches die griechische Sage von Orpheus und Eurydike persiflierte. Außerdem parodiert das Stück die Doppelmoral der besseren Gesellschaft des französischen Kaiserreichs. Das bekannteste Stück aus der Operette ist der Höllen-Cancan im zweiten Akt. 1860 wurde in Wien eine Bearbeitung der Operette uraufgeführt, die höchstwahrscheinlich von Johann Nestroy stammte, der dort die Rolle des Jupiter übernahm.
2. Die Fledermaus (Johann Strauss II, 1874)
Bis heute wird „Die Fledermaus“, eine Operette in 3 Akten, regelmäßig an der Volksoper Wien und anderen Theaterhäusern aufgeführt. 1974 feierte sie in Wien Premiere und gilt als Johann Strauss` II Meisterwerk und Höhepunkt der goldenen Operetten-Ära. In dem Stück kommen Aristokraten, Bürger und Dienstboten auf einem Fest zusammen. Es geht um Lug, Betrug und den lieben Alkohol als Sündenbock, ganz nach der Devise „Glücklich ist, wer vergisst“ und „an allem war nur der Champagner schuld“. Da die Partitur der Operette ursprünglich die Länge einer aufwendigen Spieloper hat, wird sie nur selten in voller Originallänge gespielt.
3. Eine Nacht in Venedig (Johann Strauss II, 1883)
„Eine Nacht in Venedig“ ist ein weiterer Bühnenerfolg des Wiener Komponisten, der im Neuen Friedrich-Wilhelmstädtischen Theater in Berlin uraufgeführt wurde. Der Grund, wieso Johann Strauss die Operette nicht in Wien aufführen wollte, war die außereheliche Affäre seiner zweiten Ehefrau mit dem Direktor des Theaters an der Wien (Franz Steiner). Auch in der Handlung der Operette geht es um ein außereheliches Verhältnis zu der Zeit des Karnevals in Venedig. Die Operette ist absurd, aber durchweg unterhaltsam. Bis heute wird die Bearbeitung von Erich Wolfgang Korngold aus dem Jahr 1923 am Theater an der Wien gespielt.
4. Die lustige Witwe (Franz Lehár, 1905)
Die bis heute beliebte und erfolgreichste Operette von Franz Lehár wurde 1905 am Theater an der Wien uraufgeführt. Bis zum Tod des Komponisten im Jahr 1948 wurde „Die lustige Witwe“ weltweit über 300.000 Mal gespielt und bis heute mehrfach verfilmt. Es geht um Graf Danilo, dem es aus familiär-hierarchischen Gründen nicht erlaubt ist, seine Geliebte Hanna zu heiraten. Jahre später treffen die beiden bei einem Ball der Pariser Botschaft in Pontevedra wieder aufeinander. Hanna ist inzwischen eine reiche Witwe, um die zahlreiche Männern wegen ihres Reichtums buhlen. Auch Danilos Liebe entflammt erneut, da er jedoch fürchtet, man würde ihm ebenfalls Geldgier vorwerfen, traut er sich nicht, ihr seine Liebe zu gestehen. Die Operette besticht vor allem durch ihre Salon- und Tanzszenen, die für die damalige Zeit bahnbrechend waren. Vor allem die erotischen und politischen Anspielungen machten das Stück über die österreichischen Grenzen hinweg bekannt.
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